Die Diagnose einer Mangelernährung wird mit Gespräch und körperlicher Untersuchung gestellt. Die Behandlung der Mangelernährung hängt von ihrer Ursache ab, wobei der Körper wieder eine ausreichende Menge aller Nahrungsbestandteile erhalten soll. Dazu sind teilweise eine Trinknahrung und/oder eine künstliche Ernährung notwendig.
Damit der menschliche Körper mit all seinen Zellen, Geweben und Organen optimal funktionieren kann, benötigt er Bausteine und Energie. Diese Bausteine und Energie müssen ihm in regelmässigen Abständen mit der Nahrung zugeführt werden. Damit der Baustein- und Energie-Bedarf des Körpers gedeckt werden kann, muss die Nahrung genügend Bausteine und Energie in Form aller Nahrungsbestandteile in ausreichender Menge enthalten.
Zu den Nahrungsbestandteilen, die auch Grundnährstoffe genannt werden, gehören die Kohlenhydrate, die Fette, die Eiweisse (Proteine), die Nahrungsfasern (Ballaststoffe), die Vitamine, die Spurenelemente und die Elektrolyte. Diese Nahrungsbestandteile muss der menschliche Körper in regelmässigen Abständen mit der Nahrung aufnehmen, da er sie als Bausteine und Energie benötigt. Nur dank regelmässiger und ausreichender Zufuhr von Bausteinen und Energie in Form all dieser Nahrungsbestandteile kann der Körper mit allen seinen Zellen, Geweben und Organen optimal zusammenarbeiten, reibungslos funktionieren und gesund bleiben.
Erhält der Körper keine ausreichende Menge aller Nahrungsbestandteile, um seinen Bedarf zu decken, das heisst erhält er zu wenig einzelner, mehrerer oder aller Nahrungsbestandteile, hat er einen Mangel an Bausteinen und/oder Energie. Es wird dabei von einer Mangelernährung gesprochen. In der Folge kann der Körper mit seinen Zellen, Geweben und Organen nicht mehr optimal funktionieren. Abläufe im Körper können dadurch gestört werden und Krankheiten mit einer breiten Palette an Beschwerden können im Bereich aller Gewebe und Organe des Körpers auftreten.
Steht bei der Unterernährung ein Protein- und Energiemangel im Vordergrund, der meist von einem Vitaminmangel begleitet wird, wird von einem sogenannten Protein-Energie-Mangel, kurz PEM, gesprochen. Dieser Protein-Energie-Mangel fasst die zwei Krankheitsbilder Marasmus und Kwashiorkor zusammen. Bei diesen zwei Krankheitsbildern wurde früher angenommen, dass das Krankheitsbild Marasmus allein durch eine ungenügende Zufuhr von Eiweissen und das Krankheitsbild des Kwashiorkor allein durch eine ungenügende Zufuhr von Energie zustande kommt. Heute wird davon ausgegangen, dass sowohl der Marasmus als auch der Kwashiorkor durch eine mangelhafte Zufuhr von Eiweissen, Energie und weiteren Nahrungsbestandteilen, insbesondere den Vitaminen, zustande kommt.
In der Medizin werden weitere Begriffe im Bereich der Mangelernährung verwendet, die im Folgenden kurz erklärt werden sollen. Der Begriff Wasting wird für einen starken, ungewollten Gewichtsverlust verwendet, der im Rahmen einer unzureichenden Zufuhr von Nahrungsbestandteilen mit der Nahrung oder einer schwerwiegenden Erkrankung wie beispielsweise AIDS zustande kommt. Von Kachexie wird gesprochen, wenn der menschliche Körper durch schwerwiegende Erkrankungen mit Störungen seiner Zellen, Gewebe und Organe ausgezehrt wird und stark abmagert. Beispiele für eine Kachexie sind die Tumorkachexie bei Personen, die an einem bösartigen Tumor leiden, einem sogenannten Krebs, und die Kachexie bei Personen, die an starken Atembeschwerden im Rahmen einer chronischen Lungenerkrankung leiden.
Ein weiterer Begriff, der in der Medizin verwendet wird, ist die Sarkopenie. Dieser Begriff findet Verwendung beim natürlichen Muskelabbau älterer Menschen und bei Astronauten, die längere Zeit in der Schwerelosigkeit verbringen. Solch ein Muskelabbau kann sich aber auch bei langdauernder Behandlung mit sogenannten Glukokortikoiden wie Kortison zeigen.
Eine Mangelernährung entsteht, wenn aus verschiedenen Gründen über Wochen bis Monate eine zu geringe Menge einzelner, mehrerer oder aller Nahrungsbestandteile mit der Nahrung aufgenommen wird. Mögliche Ursachen für die Entstehung eine Mangelernährung sind ein falsches Ernährungsverhalten, finanzielle und gesellschaftliche Aspekte, Veränderungen im Alter, Krankheiten und Medikamente mit einem erhöhten Bedarf oder Verlust von Nahrungsbestandteilen sowie körperliche und geistige Beeinträchtigungen.
Finanzielle und gesellschaftliche Aspekte haben einen starken Einfluss auf die Ernährung. Dies zeigt sich vor allem in der weiten Verbreitung der Mangelernährung zusammen mit Armut in Entwicklungsländern. Denn Armut lässt meist keine ausgewogene Ernährung zu. Es wird gegessen, was vorhanden ist, wenn überhaupt etwas vorhanden ist. Armut erlaubt es nicht, wählerisch zu sein. Armut kommt aber nicht nur in Entwicklungsländern vor sondern auch in Industrieländern und kann auch dort für eine Mangelernährung verantwortlich sein.
Altern kann ebenfalls die Entstehung einer Mangelernährung begünstigen. Denn mit dem Altern verändert sich vieles im menschlichen Körper. So nimmt der Appetit ab. Das Kauen und das Schlucken können, beispielsweise durch das Fehlen von Zähnen, erschwert werden. Die Bedürfnisse des Körpers ändern sich, sodass der Körper im Alter eine andere Zusammenstellung der Nahrungsbestandteile benötigt als beispielsweise in der Jugend. Zudem kann die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit älterer Menschen vermindert sein, wodurch sie beim Kochen und Einkaufen eingeschränkt sind. Auch haben ältere Menschen, wenn sie alleine leben, oft gar keine Lust, für sich selbst einzukaufen, zu kochen und ausreichend zu essen. Sie denken häufig, dass sich der Aufwand für sie alleine gar nicht lohnt.
Krankheiten und Medikamente können eine Mangelernährung verursachen. Denn durch Krankheiten oder Medikamente können der Appetit verringert, das Kauen, Schlucken und Verdauen erschwert, Übelkeit, Verstopfung, trockener Mund, Bauchbeschwerden und Verwirrtheit hervorgerufen sowie die Verluste oder die Bedürfnisse des Körpers erhöht werden. Jeder, der bereits einmal krank war oder starke Schmerzen hatte, weiss, dass der Appetit dann deutlich vermindert ist, obwohl der Körper eigentlich mehr Energie bräuchte, um mit der Krankheit oder den Schmerzen fertig zu werden.
Beispiele für Krankheiten, die bei Betroffenen eine Mangelernährung verursachen können, sind Erkrankungen des Verdauungstrakts mit Störungen der Verdauung und der Nährstoffaufnahme aus der Nahrung in den Körper, angeborene Fehlbildungen des Verdauungssystems und Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes mit schweren Durchfällen oder Erbrechen und damit starken Nährstoffverlusten. Zudem können chronische Erkrankungen, wie beispielsweise Erkrankungen des Herzkreislaufsystems, Lungenerkrankungen, Lebererkrankungen, Krebserkrankungen oder psychische Erkrankungen eine Mangelernährung verursachen. Weitere Beispiele für Krankheiten, die im Körper den Verbrauch oder den Verlust an Energie und Bausteinen steigern und damit den Nährstoffbedarf erhöhen, sind Fieber, Infektionen wie AIDS oder Tuberkulose, eine Schilddrüsenüberfunktion, Verbrennungen, Verletzungen, offene Wunden, grosse Operationen oder eine Hämodialyse zur Blutwäsche bei nicht mehr ausreichend funktionierenden Nieren. Nimmt eine Person, die an den genannten Krankheiten leidet, nicht mehr Energie und Bausteine in Form der Nahrungsbestandteile mit der Nahrung auf, entsteht eine Mangelernährung. Aber nicht nur bei Krankheiten ist der Nährstoffbedarf erhöht, auch Kinder und Jugendliche im Wachstum sowie stillende und schwangere Frauen haben einen höheren Nährstoffbedarf.
Medikamente, die eine Mangelernährung bewirken können, sind Medikamente zur Blutzuckersenkung wie Insulin, Medikamente zur Behandlung von Schmerzen und Gelenksbeschwerden, Chemotherapeutika zur Krebsbehandlung oder Kortikosteroide wie Kortison.
Ausserdem können körperliche und geistige Beeinträchtigungen Ursache einer Mangelernährung sein, da betroffene Personen oft deutlich in der Bewältigung der Alltagsaufgaben eingeschränkt sind. Zu diesen Alltagsaufgaben gehören auch das Einkaufen, das Kochen und das Essen. So können körperliche Beeinträchtigungen beispielsweise zu einer Einschränkung der Beweglichkeit der Arme, zu Kaubeschwerden oder zu Schluckstörungen führen. Geistige Beeinträchtigungen haben beispielsweise Vergesslichkeit, Verwirrtheit oder Unwissen zur Folge.
Lange wurden die Mangelernährung, die Unterernährung und die Fehlernährung nur als Problem in Entwicklungsländern betrachtet. Diese Erkrankungen sind aber auch in Industrieländern verbreitet, insbesondere in Alters- und Pflegeheimen, in Spitälern, bei Menschen, die an einer Sucht wie einer Alkoholsucht leiden, bei Obdachlosen und bei Menschen unter grossem Termin- und Zeitdruck, die nicht auf eine ausgewogenen Ernährung achten. So leiden in Industrieländern wie der Schweiz etwa 20 -30% aller Spitalpatienten an einer Mangelernährung.
Bei den meisten dieser Patienten besteht die Mangelernährung bereits, wenn sie ins Spital eintreten. Während des Spitalaufenthalts nimmt diese Mangelernährung bei der Mehrzahl der Patienten sogar noch zu, da der Ernährung und dem Ernährungszustand Betroffener oft zu wenig Beachtung geschenkt wird, das Essen nicht dem entspricht, was einem schmeckt und was man gewohnt ist, zu wenig Zeit zum Essen vorhanden ist und da gewisse Behandlungen, wie eine Operation, eine Antibiotikabehandlung, eine Chemotherapie oder eine Bestrahlung, die Nahrungsaufnahme einschränken. Ausserdem müssen Personen, die mangelernährt sind, im Durchschnitt länger im Spital bleiben, als Personen die gut ernährt sind, was noch zur Verschlimmerung einer Mangelernährung beitragen kann. Und das Risiko für das Auftreten von Komplikationen, die wiederum den Aufenthalt im Spital verlängern können, wird durch eine Mangelernährung erhöht.
Noch häufiger kommt die Mangelernährung mit durchschnittlich etwa 30 bis 50% bei Personen vor, die an Krebs leiden. Von den Personen, die an einem nicht heilbaren Dickdarmkrebs, Prostatakrebs oder Lungenkrebs erkrankt sind, leiden etwa 48 bis 61% an einer Mangelernährung. Bei Personen, die an Magenkrebs, Speiseröhrenkrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs oder an einem Krebs im Bereich von Hals, Nase und Ohren leiden, beträgt der Anteil an Personen, die an einer Mangelernährung leiden, sogar 83 bis 87%.
Die Angaben zur Häufigkeit der Mangelernährung bei älteren Personen schwanken. In einer Studie, bei der die Häufigkeit der Mangelernährung bei älteren Personen untersucht wurde, wird beispielsweise angegeben, dass 30% der zu Hause lebenden älteren Menschen, 30 bis 60% der älteren Menschen in Pflegeheimen und 60% der älteren Menschen in Spitälern an einer Mangelernährung leiden. In einer anderen Studie wird die Häufigkeit der Mangelernährung bei älteren Menschen mit niedrigeren Zahlen angegeben. Demnach leiden etwa 0,5% der zu Hause lebenden älteren Menschen, 5,7% der älteren Menschen in Pflegeheimen und 33,3% der älteren Menschen in Spitälern an einer Mangelernährung.
Die Beschwerden bei einer Mangelernährung hängen davon ab, wie lange die Mangelernährung schon besteht und ob es sich um einer Unterernährung handelt, bei der alle Nahrungsbestandteile in ungenügender Menge mit der Nahrung aufgenommen werden, oder um eine Fehlernährung, bei der einzelne oder mehrere Nahrungsbestandteile dem Körper nicht ausreichend zugeführt werden. Erster Hinweis für das Vorhandensein einer Mangelernährung bei einer Person ist meist eine ungewollte Gewichtsabnahme in den letzten Wochen und Monaten mit Zuweitwerden der Kleidung, eingefallenem Gesicht und knochigen Händen und Fingern.
Eine Mangelernährung kann neben dem Gewichtsverlust eine breite Palette an Beschwerden im Bereich aller Gewebe und Organe des Körpers zur Folge haben. Die genauen Beschwerden, die bei einer Mangelernährung auftreten, werden durch die Eigenschaften derjenigen Nahrungsbestandteile bestimmt, von denen der Körper eine zu geringe Menge erhält.
So führt eine mangelhafte Zufuhr von Kohlenhydraten, Fetten und/oder Eiweissen zu einem Mangel an Energie. Denn die Kohlenhydrate, Fette und Eiweisse liefern dem Körper die Energie, die er, seine Zellen, Gewebe und Organe benötigen. Ohne diese Energie kann der Körper seinen Stoffwechsel und denjenigen seiner Zellen nicht aufrechterhalten und richtig funktionieren. Deshalb fahren der Körper und alle seine Zellen bei einem Energiemangel den Stoffwechsel herunter.
So zeigt sich eine mangelnde Zufuhr von Kohlenhydraten durch die dadurch bedingte mangelnde Energiezufuhr mit einem zu tiefen Blutzucker, einer sogenannten Unterzuckerung, mit Kopfschmerzen, Kreislaufproblemen, Schwächegefühl, sinkender Konzentrationsfähigkeit und Sehstörungen.
Da der Körper die Kohlenhydrate, Fette und Eiweisse aber nicht nur als Energielieferanten benötigt, sondern auch als Bausteine, sind durch den Mangel an Bausteinen weitere Beschwerden möglich. Ein Mangel an Fetten kann so zu Sehstörungen, Muskelschwäche, Störungen der geistigen Leistungsfähigkeit, Hauterkrankungen, gestörter Wundheilung, Verfettung der Leber, vermehrter Anfälligkeit für Infekte, Wachstumsverzögerungen und Blutarmut mit Blässe, Leistungseinbusse, Müdigkeit, Konzentrationsschwäche und Atembeschwerden führen. Dazu trägt auch bei, dass ein Mangel an Fetten zu einem Mangel der fettlöslichen Vitamine A, D, E und K führt. Denn diese Vitamine können nur mithilfe von Fetten aus der Nahrung in den Körper aufgenommen werden.
Ein Mangel an Eiweissen, die vom Körper als Grundbausteine von Zellen, Geweben und Organen benötigt werden, tritt in der Regel immer zusammen mit einem Energiemangel auf und führt zu einer sogenannten Protein-Energie-Mangelernährung, kurz PEM. Die Protein-Energie-Mangelernährung unterteilt sich in eine leichtere und eine schwerere Form. Die schwerere Form der Protein-Energie-Mangelernährung kann sich mit drei unterschiedlichen Krankheitsbildern zeigen, dem Kwashiorkor, dem Marasmus und dem marasmischen Kwashiorkor.
Mögliche Beschwerden beim Kwashiorkor (siehe Abbildung 1) sind vermehrte Brüchigkeit der Haare, Haarausfall, verminderte körperliche und geistige Leistungsfähigkeit, beeinträchtigte Fruchtbarkeit und Verschlechterung des Abwehrsystems mit erhöhter Anfälligkeit für Infektionskrankheiten. Weiter zeigen Betroffene ausgeprägte Flüssigkeitseinlagerungen im Gewebe, sogenannte Ödeme. Solche Ödeme sind vor allem in Form geschwollener Füsse, Beine und Hände sichtbar, in schweren Fällen in Form von Schwellung im Gesicht und grossen Bäuchen, sogenannten Hungerbäuchen. Die Muskeln Betroffener werden dünner und schwächer.